Eine Ode an das Nichtstun

Warum Müßiggang kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit ist

Dieser Blogbeitrag widmet sich dem Thema Nichtstun und dessen Bedeutung für das individuelle Wohl und das Gemeinwohl.

Sehe ich mich um, begegnen mir immer mehr Menschen, die in jeder Lebenslage hyperaktiv wirken, die sogar im Urlaub jeden ungenutzten Moment füllen müssen. Mit Jack-Wolfskin-Multifunktionskleidung ausgestattete Rentnerhorden bevölkern auf viel zu schnellen E-Bikes die Radwege, während ultrahochaktive Rennradfreaks (meist mittelalte Männer) über jede Landstraße jagen, als lebten wir in einer ewigen Tour de France.

Wehe, man macht in der Freizeit „nichts“, hängt nur im Park oder im Garten herum – das ist verpönt. Der Wert des Einzelnen wird von vielen an seiner Produktivität gemessen. Wehe, man stoppt die gewohnte körperliche Aktivität und kommt zur Ruhe, denn genau darin liegt die Krux: Das könnte Prozesse des Nachdenkens und Reflektierens auslösen. Und wenn viele nicht gerade auf E-Bikes oder anderswo die Gegend unsicher machen, frönen sie dem Doomscrolling und frittieren ihr Gehirn mit Reels und TikTok-Feeds, die einen endlosen Strom an Belanglosigkeiten ins Bewusstsein spülen.

„Wer also frei sein will, der soll nichts begehren und nichts ablehnen, was von anderen abhängt; andernfalls muss er notwendig ein Sklave sein.“
(Enchiridion, Kap. 14, Epiktet – freie Übersetzung nach der englischen Fassung auf classics.mit.edu)


Hier kommt ein Gegenvorschlag – und zwar der des bewussten Nichtstuns. Das heißt nicht, „nichts“ zu tun. Denn nur, wenn man Ruhe und Gemütsruhe hat, besitzt man die Basis für kreative Denkprozesse und echtes Abschalten – abseits von dem unsere Gesellschaft zersetzenden Strom der Reizüberflutung.

Es gilt, den eigentlichen Rhythmus des Lebens zu erkennen, denn man kann nicht durchgehend aktiv sein. Die seelischen und geistigen Vorgänge sollten zur Ruhe kommen. Das heißt: Unter der Woche wäre mein Vorschlag, einmal für mindestens einen ganzen Tag Müßiggang walten zu lassen. Darüber hinaus sind gut über den Tag verteilte Pausen und ab und zu Urlaube, wenn die Batterie leer ist, die Quintessenz – einerseits, um wieder „aufzuladen“, andererseits, um überhaupt Nachdenkprozesse in Gang zu bringen. Und die hat unsere fragmentierte Highspeed-Gesellschaft bitter nötig.

Schon in der Schule wäre das Fach „Glück“ mit Teilfächern wie Nichtstun, richtig atmen, Nachdenken und Yoga/Meditation meines Erachtens wichtiger als viele andere Fächer. Aber das führt mich nun in eine andere Richtung.

Eine zu starke Fixierung auf das Äußere und auf Aktivität beschert nur Unglück. Das sollte nicht falsch verstanden werden – richtige Aktivität im Zusammenspiel von Yin und Yang mit Phasen des Müßiggangs ist der Schlüssel, um zu wachsen. Denn das innere Glück ist das Maß, nicht das Äußere. Ruhe, um in die Mitte zu kommen – dann kann man heitere Gelassenheit erreichen sowie Stabilität und eine innere Basis. Ruhepausen – von täglich bis hin zu Sabbaticals – sollten Bestandteile eines gelungenen Lebens sein.

Platt gesagt: Wir müssen alle „einen Gang herunterschalten“, vom Anspruchsdenken abkehren, zufrieden sein und uns weniger Reizen aussetzen. Das Handy ausschalten, einen handyfreien Tag einlegen, die diversen Geräte abschalten und bewusst leben.

„Weniger ist mehr“, sagte der berühmte Architekt Ludwig Mies van der Rohe.

Eine Reduktion auf das Wesentliche – und vorab eine Klärung, was dieses Wesentliche ist – würde allen guttun. Wichtig ist in diesem Zusammenhang festzuhalten: Müßiggang ≠ Faulheit, keine Passivität, sondern ein bewusstes An- und Innehalten.

„Wenn du inmitten der weltlichen Anforderungen des täglichen Lebens Kraft sparen kannst, so wächst dir eben hier Kraft zu, erlangst du eben hier Buddhaschaft, verwandelst du eben hier Hölle in Himmel.“
Zen-Guide.de